… zum Fisch musst du Geranien essen

gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen
Fr. 34.-, Euro: 20.-
ISBN: 978-3-85990-045-5

Warenkorb/Bestellung

aus dem Warenkorb entfernen

Maja Bosshard blieb das zur Lebensbewältigung nötige Selbstverständnis versagt: Mit überscharfem Sinn für Banalitäten und falsche Töne des Alltags erlebte sie dessen (und ihre) Unzulänglichkeiten hautnah und rieb sich auf in der widersprüchlichen Sehnsucht nach Verankerung und befreiender Leidenschaft. Schreiben und künstlerisches Gestalten halfen ihr bei der Auseinandersetzung mit ihrer sensiblen, kantigen Persönlichkeit und der Welt, in der sie sich fremd fühlte, aneckte und schliesslich krank wurde. So entstanden im Laufe ihrer inneren Kämpfe Bilder, Objekte, Gedichte und Kurztexte, die ihre Gratwanderung dokumentieren und uns mit ihrem Schillern zwischen Vertraut und Unvertraut, mit ihrer Direktheit und ihrem existenziellen Gehalt in ihren Bann ziehen.

Maja Bosshard hat zu Lebzeiten nur im Verborgenen gearbeitet und nichts veröffentlicht. Erst nach ihrem Tod wurden Texte und bildnerische Arbeiten entdeckt und von ihrer Schwester Ursula Sauser gesichtet. Da Maja Bosshards Werk durch seine künstlerische Aussage und durch seine Nähe zur Art Brut weit übers Private hinausweist, unternahm Ursula Sauser bald erste Schritte, um es auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Im Jahr 2000 fand im Kunstraum Aarau eine Ausstellung statt, die auf ein sehr berührtes und interessiertes Publikum stiess.

Leseproben

Mit Fichtennadeln parfümiert oder: Ich bin eine Sparflamme
Ich bin eine Sparflamme. Ich brenne lange, aber ich brenne nie richtig; ich brenne nie richtig, weil ich dann zu früh abgebrannt wäre. Ich brenne immer nur so stark, dass ich nicht ganz auslösche. So umschwirren mich weder Falter noch Motten, nie hat sich eine die Flügel an mir verbrannt. Und nie hat mich ein Mensch genommen, weil er seine Dunkelheit erhellt haben musste zur Verrichtung der täglichen Dinge. Und alle meine Kraft und all meinen Erfindungsreichtum hab ich gebraucht zur Lösung der Frage: Wie brenne ich gerade so stark und kein bisschen mehr, dass ich nicht verlösche?

Kurzgeschichten

87. Geschichte: Narrengeschichte
Es war einmal ein Frosch. Ein dicker, blöder Frosch. Nie hatte er es geschafft, etwas zu sein. Mit dem Alter, schon ganz verwarzt und qualläugig, sagte er: „So, fertig! Jetzt muss etwas geschehen. Bin ich auch warzig und qualläugig, so lass ich mir doch nicht von jedem Idioten auf der Nase rumtanzen.“ Sprach’s, blies sich auf das Drei- bis Vierfache seines Volumens auf, und beim Ablassen liess er ein so riesiges Trompetengedröhn erschallen, dass männiglich erschrak und das Weite suchte. Den frei gewordenen Platz inspizierte er mal genauestens, dann bezog er ein grosses Haus, fest gebaut inmitten von Seerosenteichen. Wer sich getraute, vorsichtig wieder in die Gegend zu ziehen, begegnete dem Quallfrosch mit Hochachtung.

95. Geschichte: Kolibris denken anders
Kolibris denken anders, deshalb ist es so schwer für sie, einen passenden Käfig zu finden. Denn wohl jeder weiss, dass er einen Käfig braucht, aber es muss eben der richtige sein. Wenn es der richtige ist, dann denkt man nicht, dass es ein Käfig ist. Deshalb rufe ich die Halter von Kolibris auf: Überlegt euch gut, in was für Käfige ihr eure Vögelchen setzt. Denn was nützt euch ein Kolibri, der sich unglücklich zu Tode grämt. Ein Kolibri ist eben ein besonderes Vögelchen, winzig klein und flimmernd und schimmernd und blitzgeschwind. Unsichtbare Zwitschervögelchen.

103. Geschichte: Die erotische Libelle
Die Libelle ist ein erotisches Liebesobjekt. Ein sirrendes, flirrendes, schimmerndes, wimmerndes, ein schleierndes und weihendes. Aber nicht: weinend. Nein, nein. Nie. Flirrend und sirrend und wimmernd und schimmernd und räkelnd und häkelnd. Letzteres ist eigentlich gar nicht erotisch. Denn wer häkelt? Natürlich die Grossmutter, und die hat ihre erotischen Träume ausgeträumt, bevor sie nur schlafen gegangen ist. Zum Glück gibts noch eine Enkelin. Die ist nicht zu faul zum Träumen und Spintisieren und Flirren und Sirren und Wimmern und Schillern und …

105. Geschichte: Krokodilstränen fliessen zäh
Krokodilstränen fliessen zäh. Zäh wie Lava. Und heiss wie Lava. Niemandes Herrn. Und niemandes Sklave. Versteht man zu kapitulieren, versteht man alles. Solange die Bäckerei geöffnet ist, gibts Brot. Und solange dein Kiosk funktioniert, gibts Wasser. Wasser und Brot, davon will ich leben. Und dicke Backen und runde Backen und Arschbacken. Nein, keine Arschbacken, aber Penisse, runde, weiche, schlaffe Penisse, und runde, pralle, feste Eierlein. Das sind meine Lieblingsmenus an Sonn- und Feiertagen.

200. Geschichte: Was ist wichtiger: Putzen oder Sex?
Ich würde sagen: Putzen. Oder doch nicht? Eher Sex? Das ist wirklich eine schwierige Frage. Ob man sie einmal dem Papst vorlegen sollte? Er selber wird wohl nichts von beidem praktizieren. Aber eine Meinung dazu hat er sicher. Wahrscheinlich wird er sagen: Putzen ist die zwar niedrige, aber vor Gott gewiss nicht geringere Arbeit, die eben dieser Gott den Frauen huldvoll zugewiesen hat. Sex ist etwas, das es gar nicht gibt, obwohl es seltsamerweise doch vorkommt; wenn es vorkommt, dann unter Menschen, die in der Finsternis wandeln. Es ist die vornehme Aufgabe der Kirche, den Sex zu verbieten, unter Todes- bzw. Höllenstrafe zu stellen und so den Menschen die Möglichkeit zu geben, im Licht Gottes zu wandeln.

Rezensionen

Kunst, im Verborgenen geschaffenCaroline Frei, Wettinger Post / 20.11.03

Todessehnsucht und Lebenskraftpro mente sana 2/04

TwitterStumbleUponRedditDiggdel.icio.usFacebookLinkedIn